Thomas Gehring über das grüne Bildungskonzept für Grund- und Sekundarschulen
Zentrale Positionen des grünen Bildungskonzepts erklärte Thomas Gehring, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und bildungspolitischer Sprecher der Grünen im bayerischen Landtag. Er sprach am 17. April auf Einladung des Kreisverbands Neu-Ulm im Edwin-Scharff-Haus.
Als Einstieg erläuterte Gehring, warum er Bildung als Baustelle bezeichnet. Die Welt werde vielfältiger und globaler, große Fragen stellten sich international. Die Zukunft wird digital sein, das Wirtschaftsleben wird sich ändern, Menschen müssten sich ihr eigenes Rollenbild selber suchen. Als Antwort darauf muss Bildung sich weiterentwickeln, sie muss verbessert, ausgebaut und umgebaut werden.
Ganztagsschule
Wie die Weiterentwicklung nach den Vorstellungen der Grünen aussieht, führte er an einigen Themenbereichen aus, die ihm besonders am Herzen liegen. Zunächst die Ganztagsschule, die dringend ausgebaut werden müsse. Hier propagiert die Partei die gebundene Ganztagsschule, in der sich Unterrichtsstunden mit Zeiten der Entspannung und Bewegung über den Tag verteilt abwechseln, ein “rhythmisierter Tagesablauf”, so Gehring. Damit findet regulärer Unterricht auch am Nachmittag statt, für viele Lehrkräfte und Eltern eine unpopuläre Angelegenheit. Es gibt noch die Variante offene Ganztagsschule, dort werden die Schüler nachmittags von anderen Personen betreut. Doch auch hierüber sind nicht alle Eltern glücklich, weil die Nachmittage der Kinder nicht mehr frei gestaltet werden können. Gehring erwartet sich jedoch von der Ganztagsschule, dass der Bildungserfolg künftig weniger vom sozialen Hintergrund der “Mütter als Hilfslehrerinnen der Nation” abhängt, weil die Kinder bei den Hausaufgaben von pädagogisch geschultem Personal betreut werden.
G9
Vor über 11 Jahren wurde das achtjährige Gymnasium von Ministerpräsident Stoiber eingeführt. Das G8 kam nach Gehrings Darstellung nie aus den Geburtswehen heraus, es hätte immer viel Kritik daran gegeben. Die Grünen sprechen sich für das neunjährige Gymnasium aus, aber “es muss ein G9 Neu sein”, in dem es möglich ist, es schneller zu durchlaufen, so Gehring. Die Oberstufe bedarf der Reformierung, in der Mittelstufe sollte der Notendruck geringer werden, der Unterricht muss sich mehr an Sinnzusammenhängen orientieren. “Wir brauchen mehr überfachliches Lernen” ist Gehrings Überzeugung. Problem sei auch die Finanzierung der erforderlichen Baumaßnahmen an den Gymnasien.
Integration
Jedes Kind in Bayern hat ein Recht auf Bildung, “vom ersten Tag an” fordert der Bildungsexperte. Damit spricht er das Problem der Flüchtlinge an, die oft lange Zeit auf die Genehmigung ihres Asylantrags warten. Guten Sprachunterricht sieht er als Voraussetzung für die Integration. Die Grünen wünschen sich, dass Migrantenkinder gleich in reguläre Klassen gehen und dort zusätzlich Sprachunterricht bekommen. Dieses Modell wird gegenüber den Übergangsklassen präferiert. Darüber hinaus sei jahrelange Sprachbegleitung nötig. Integration müsse Auftrag aller Schularten sein, hier müssten geeignete Regelungen geschaffen werden, was Notengebung und das Vorrücken angeht.
Was nach Gehrings Verständnis an der Schule viel zu kurz kommt, ist politische Bildung. Er verlangt, dass das Fach Sozialkunde ab der 8. Klasse zweistündig unterrichtet wird. “Islamischer Religionsunterricht muss in der Schule gemacht werden und nicht in der Moschee. Von Lehrkräften, die an bayerischen Universitäten ausgebildet sind. Religionsunterricht muss sich der öffentlichen Wahrnehmung stellen.” Gehring plädiert für die Weiterentwicklung des Religionsunterrichts zusammen mit Ethik zu einer Fachgruppe.
Digitalisierung
Auch wenn das Schlagwort Digitalisierung in aller Munde ist, werden doch sehr unterschiedliche Dinge darunter verstanden. Für Thomas Gehring geht es um digitale Mündigkeit. “Informationen müssen einsortiert werden und zu Wissen werden, Jugendliche müssen mit Informationen umgehen lernen, sie beurteilen können, jeder Schüler muss seinen Verstand benutzen können”. Darüber hinaus brauchen Schulen die nötigen Geräte und eine ordentliche Netzanbindung: “Glasfaser in jedes Haus und jede Schule.” Für die Wartung der Rechnersysteme an Schulen müssten Fachkräfte eingestellt werden, Stichwort “IT Hausmeister”. “Handys gehören heute zur Lebenswelt unserer Kinder. Schule muss sich damit auseinandersetzen, sie darf die Kinder hier nicht allein lassen.” Insbesondere die Problematik des Cybermobbing müsse gelöst werden. Und die Schulen sollten selbst Regeln für die Handynutzung schaffen, dazu brauche es kein Gesetz mehr.
In der anschließenden Fragerunde, die vom Sprecher des Kreisverbands Tilman Hirth moderiert wurde, kamen Anliegen der Zuhörer zur Sprache, wie etwa das Problem des Lehrermangels. Hier plädiert Gehring für den Ausbau der mobilen Reserven, insbesondere für Schwangerschaftsausfälle. Außerdem gehöre das Ausbildungkonzept der Lehrerbildung grundlegend auf den Prüfstand. Die Ausbildung sollte schulartübergreifend werden, damit Lehrer flexibler eingesetzt werden können. “Ich verstehe nicht warum Leute, die kleine Kinder unterrichten, ein kleines Gehalt haben.” Um dieses Problem aus der Welt zu schaffen, sollten die Ausbildungszeiten der Lehramtsstudiengänge angeglichen werden. Außerdem hätten die unterschiedlichen Lehrämter die gleiche gesellschaftliche Wertschätzung verdient.
Auf die Frage, ob Lehrer Beamte sein müssen, sprach sich Gehring zwar für eine Änderung aus, betonte aber, dass solche Ideen im Moment keine Chance hätten. Ebenso fände eine wünschenswerte Verlängerung der gemeinsamen Schulzeit über die vierte Klasse hinaus zur Zeit keine Mehrheit.
Bernhard Wiesner
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