Mit China Geschäfte machen – ist das eine Erfolgsgeschichte weltoffener Unternehmen, die für alle Beteiligten förderlich ist? Diese Wahrnehmung hat sich in der letzten Zeit geändert. Zu einer Darstellung des aktuellen Stands lud die Neu-Ulmer Bundestagsabgeordnete der Grünen Ekin Deligöz am 27. März in den Petrussaal. Ihre Gesprächsexperten waren Margarete Bause, Abgeordnete und Sprecherin der Fraktion im Menschrechtsausschuss des Deutschen Bundestags, und Bernd Mack, Vizepräsident der IHK Schwaben und Geschäftsführer des Autohauses Mack.
China habe sich zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt entwickelt, begann Deligöz die Aufzählung der Größendaten der Volksrepublik, es sei mittlerweile größte Handelsmacht und unser größter Handelspartner. Bernd Mack ergänzte, dass allein im Raum Bayerisch-Schwaben über 600 Unternehmen mit China Handel pflegten, einige davon mit eigenen Niederlassungen. China sei der zweitgrößte Import- wie auch Exportpartner für die Schwaben. Auf die Frage, ob Arbeitsbeschränkungen und Rechtsunsicherheiten die Unternehmertätigkeit nicht stark einschränkten, erklärte er: “Man kommt an China nicht vorbei. Für manche ist China aufgrund der großen Auftragsvolumina so attraktiv, dass sie dorthin müssen.”
Margarete Bause plädierte entschieden, vor dem Gewinnstreben die Menschenrechtslage in der Volksrepublik zu beachten. Die Regierung halte in den autonomen Gebieten XinJiang und Tibet viele Tausende in Umerziehungslagern fest, um deren Kultur auszulöschen. Angesichts solcher klarer Verletzungen der Menschenrechte dürften sich weder die Politik noch die Unternehmen taub stellen. Der Künstler und Dissident Ai Weiwei habe ihr klar gemacht, dass nur das konkrete Ansprechen der Missstände durch Vertreter von Politik und Wirtschaft irgendeine Verbesserung bewirke. “Viele Unternehmen reisen nach China um dort Gschäfte zu machen. Wir dürfen unsere Wirtschaftsinteressen nicht über unsere Wertehaltung setzen. Wenn uns die Werte wichtig sind, dann muss ihre Einhaltung die Bedingung sein für wirtschaftliche Beziehungen.”
Unterschiedliche Wertesysteme
Ekin Deligöz berichtete über die Einstellung der chinesischen Bevölkerung im Umgang mit persönlichen Daten. Chinesen könnten die Angst der Deutschen vor der Preisgabe ihrer persönlichen Daten nicht nachvollziehen. So gelte die automatische Gesichtserkennung und entsprechende Auswertung als positive Errungenschaft, was sie am Beispiel von Schülern einer Vorzeigeschule detailliert ausführte. Margarete Bause warnte vor solchen Entwicklungen und betonte das Recht auf Privatsphäre als Menschenrecht. Es sei klar, dass die Expansionsbestrebungen der chinesischen Regierung sich nicht auf die Wirtschaftsebene beschränkten, sondern auch auf die Ebene des gesellschaftlichen Wertesystems abzielten.
“Das ist der Kampf, der gerade jetzt losgeht. es geht nicht nur darum Geschäfte zu machen, wirtschaftlichen Einfluss zu kriegen. Sondern es geht darum, welches System wird am Ende obsiegen? Es ist eine Systemkonkurrenz, die nicht nur das Wirtschaftssystem betrifft. China will zeigen, dass man Wirtschaft und Wohlstand auch ohne Menschenrechte und ohne Demokratie durchsetzen kann und wir müssen zeigen, dass Menschenrechte und Demokratie etwas sind, für das wir einstehen und das wir nicht aufgeben werden.”
Was aber, wenn wir in Europa schnelles Internet nach dem 5G-Standard wollen, das momentan von der chinesischen Firma Huawei angeboten werde, fragte Moderatorin Deligöz. Huawei unterliegt dem chinesischen Nachrichtengesetz, das heißt, Unternehmen sind verpflichtet, Nachrichtendaten auf Verlangen an die Regierung weiterzuleiten.
Bernd Mack als Vertreter der Industrie zeigte in dieser Richtung ein Stück weit Verständnis. In dieser Frage gehe es auch um die unterschiedlichen Wertesysteme innerhalb der beiden Gesellschaften. “Es ist für mich sehr schwierig zu beurteilen, ob dieses Wertesystem gut oder schlecht sein soll. Es passt weniger zu uns, weil wir andere Vorstellungen haben.” Die Unternehmer sehen sich nicht in der Pflicht, zuallererst dieses Wertesystem zu beurteilen. “Die Chinesen arbeiten mit einer Dynamik, die für uns mittlerweile unvorstellbar ist, natürlich auf Grundlage anderer Wertevorstellungen.” Den Rahmen, was bei uns erlaubt sei und was nicht, müsse die Politik schaffen. “Wir können nicht sagen, jetzt warten wir, bis die Wertevorstellungen und die Menschenrechte unseren Rechten entsprechen, und dann fangen wir an mit China Geschäfte zu machen, das halten wir nicht durch.”
Abwanderung von Know How
Ekin Deligöz leitete über zur Problematik der Übernahme von Schlüsselpositionen der europäischen Infrastruktur durch chinesische Unternehmen. An den Vertreter der Industrie richtete sie die Frage: “Dass chinesische Investoren deutsche Unternehmen übernehmen, ist doch eine Gefahr?” Hier zählt Bernd Mack fest auf den Beistand der Politik: “Solche Übernahmen finden statt auf der Grundlage unserer wirtschaftsliberalen Ordnung. Auch die Wirtschaft fordert, dass man da gegensteuern muss.” Hier seien staatliche Regularien dringend geboten. “China zahlt einfach mehr. Das Land stellt eine Finanzmacht dar. Die können Reserven mobilisieren, was bei uns so nicht vorstellbar wäre.”
Eine Lösung sieht Mack darin, sich in Europa stärker zu vernetzen und als Europäer stärker zusammenzustehen.
Europa stärken
Hier stimmte Margarete Bause zu: “Wir müssen europäisch handeln. China versucht eine Teile-und-herrsche-Strategie in Europa zu etablieren.” Unter dem schönen Begriff Seidenstraße mache Xi Jinping Geschäfte mit Italien und Griechenland und anderen europäischen Staaten, die das Geld benötigten.
Es brauche jetzt eine gemeinsame europäische Strategie. Ein Land allein könne gegenüber China nichts durchsetzen. China wolle Geschäfte machen und Abhängigkeiten aufbauen. Eine kohärente China-Strategie sei dringend erforderlich, mit Schutzvorschriften, gerade in sicherheitsrelevanten Bereichen. “Lassen wir es zu, dass chinesische Technologie in sicherheitsrelevanten Bereichen eine Technik mit der Möglichkeit der Spionage und Sabotage einbaut?”
Beide Experten waren sich einig, Europa müsse stark werden und eigene Technologie, eigene Netze, eigene Plattformen entwickeln. Das sei daher eine europäische Technologie-Industriepolitik, eine europäische KI-Strategie erforderlich, damit Europa nicht in die Abhängigkeit gerate.
“Wir sind nicht am Punkt, wo wir nicht mehr handeln können'”, war Bause überzeugt. “Euopa ist eine starke Wirtschaftsmacht. Lasst uns diese Stärken bündeln. Wir sind nicht gegen den Handel mit China. Aber man darf nicht naiv sein.”
Bernhard Wiesner
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