Großer Demonstrationszug durch Vöhringen gegen den NPD-Parteitag
von Ronald Hinzpeter NUZ vom 27.02.2011
Für Freiheit und Toleranz gingen am Samstag in Vöhringen knapp 500 Menschen auf die Straße. Eine solche Demonstration hat die Stadt selten erlebt.
Vöhringen Um 12.20 Uhr heulten die Sirenen. Auch wenn das nur eine der samstäglichen Übungen war, passte es gut zur Alarmstimmung in der Vöhringer Innenstadt. Hunderte von Menschen hatten sich am Bahnhof versammelt, um gegen den Parteitag der NPD im Kulturzentrum zu protestieren – und ihnen allen war es bitterernst mit der Forderung: Nazis raus. Nach Angaben der Polizei zogen von 12.30 Uhr an rund 450 Menschen – nach Schätzungen von Teilnehmern etwa doppelt so viele – durch Vöhringen.
Es war eine friedliche Demonstration gegen die Rechtspartei und ihre Sympathisanten. CSU-Mitglieder marschierten neben Grünen, Jusos mit Vertretern der Jungen Union, Linke, Gewerkschafter, Naturfreunde und ausländische Mitbürger vereinten sich in einem bunten Protestzug. Nicht nur viele Vöhringer, sondern auch zahlreiche NPD-Gegner aus der Umgebung waren gekommen, um zu zeigen, was sie von der Versammlung im Kulturzentrum hielten: nämlich nichts.
Die Polizei hatte ein Großaufgebot aufgefahren, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Mehr als 100 Beamte in Uniform und Schutzkleidung sicherten die Innenstadt und vor allem das Eychmüller-Haus, das weiträumig abgesperrt war. Doch als die Demonstranten dort vorbeizogen, stieg lediglich der Lärmpegel der Trillerpfeifen und der eine oder andere reckte einen Stinkefinger in Richtung NPD-Treff. Vorsorglich hatten die Spezialeinsatzkräfte einem Grüppchen von Rechten einen Platzverweis erteilt, als sie am Straßenrand auf den Protestzug warteten – um “möglichen Provokationen vorzubeugen”, so die Polizei.
Redner brechen eine Lanze für Meinungsvielfalt
Im Stadtzentrum mündete der Marsch in eine Schlusskundgebung, bei der die Redner geschlossen eine Lanze für Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt brachen. Der Vöhringer SPD-Stadtrat Volker Barth, der die Demo angeregt hatte, freute sich, dass “sich alle demokratischen Parteien Schulter an Schulter, in der Sache vereint, gegen nationalsozialistisches Gedankengut und für die Grundwerte unserer Republik stellen”. Er machte klar, dass seine Stadt “für alle Menschen offen ist” und dort “Freiheit, Gerechtigkeit, Toleranz und Achtung der Menschenwürde” gelebt wird. Barth entließ die Bürgerinitiative gegen den Moscheeneubau nicht aus der Verantwortung, denn sie habe mit ihrer Kritik am Verhalten des Stadtrates in dieser Frage dazu beigetragen, “die Aktivitäten der rechten Szene zu beflügeln”. Auch die Grünen-Stadträtin Gundula Gruber kritisierte das Vorgehen der Bürgerinitiative, die nun Unterstützung von der NPD bekommen habe.
Hatte sich schon Barth klar dagegen ausgesprochen, eine Veranstaltung wie die der NPD nicht zu ignorieren, so setzte Justizministerin Dr. Beate Merk noch eines drauf. Sie forderte dazu auf, die Demokratie zu verteidigen: “Denn jetzt ist hier und heute, mitten bei uns in Schwaben, der Zeitpunkt gekommen, aufzustehen!” Es reiche nicht, die Zuschauerrolle einzunehmen. “Diese Aufgabe ist eine Aufgabe für uns alle miteinander. Zusammen müssen wir uns einbringen, weil unsere Demokratie etwas wert ist.” Zur Demokratie gehöre auch, Menschen nicht nach ihrer Herkunft, Rasse, Hautfarbe oder Religion zu beurteilen, “sondern nach dem, was wirklich zählt: ihrem Verhalten”. Genau das sei der NPD zuwider, denn ihr gehe es um eine Zerstörung des Staates und der Individualität.
Nach der Kundgebung zogen noch einige Demonstranten zum Kulturzentrum, doch dort blieb es friedlich, so die Polizei. Angezeigt wurden lediglich ein Mann “aus dem linken Spektrum”, weil er den Hitlergruß gezeigt hatte, sowie ein anderer, der einen Polizisten beleidigt hatte. In der Breitegasse ging die Frontscheibe eines Autos kaputt. In der Nähe wurden zwei jugendliche Linke aufgegriffen, doch ob sie dafür verantwortlich sind, steht noch nicht fest. Die Polizei zog schließlich ein positives Fazit. Einsatzleiter Werner Mutzel sagte, die Strategie der Polizei mit “Deeskalation durch Stärke” sei voll aufgegangen. Bürgermeister Karl Janson war am Abend sichtbar froh, dass alles vorbei war.
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