Ein Kommentar von Arno Görgen zum gemeinsamen Reinigen der in Neu-Ulm verlegten Stolpersteine am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
29 Steine. 29 unscheinbare Messinggebilde, auf zehn Standorte in ganz Neu-Ulm verstreut.
29 Namen, Schicksale, Menschen, Nachbarn, Bekannte, Freunde, die von einem Tag auf den anderen nicht mehr da waren. 29 mal wurde an dieser Auslöschung teilgenommen, mal aktiv, mal durch Zu- und Wegschauen, mal aus Angst, selber zu diesen Schicksalen gehören zu können. 29 Namen, die stellvertretend für die Neu-Ulmer Opfer des Nationalsozialismus stehen. Eine Zahl, die vor den insgesamt 17 (!) Millionen Opfern des NS-Wahns verschwindend gering aussieht, und doch sind dies 29 Potenziale, Welten und wiederum: Menschen, die durch eine hasserfüllte Ideologie ausgelöscht und verloren gegangen sind. Ein unermesslicher Verlust für Neu-Ulm und für die ganze Welt.
Diese Steine sind eine Erinnerung daran, wie dünn der Firnis der Zivilisation ist, wie zerbrechlich unsere moralischen Grundwerte, unser demokratisches Selbstverständnis ist. Unsere Gesellschaft ist gespalten, die Pandemie lässt woanders sogenannte Spaziergänger auf dem Rücken des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der durch unsere Verfassung geschützten Grundrechte ihre Verschwörungs- und Hassreden entfalten. Sie untergraben und verunmöglichen jeden gesellschaftlichen Dialog, jedes vernünftige Zu- und Miteinanderreden im Kern. Die Querdenkerbewegung ist in Teilen von rechtsextremen Gruppen durchflochten, Anhängern jener Ideologie, die das blinde und dennoch gezielte Morden insbesondere der Jahre 1939-1945 erst ermöglicht hat. Dass wir dem Einhalt gebieten, respektvoll und voller Empathie miteinander umgehen sollten, auch daran erinnern die Stolpersteine. Jeder von uns gereinigte Stolperstein lässt uns innehalten und darüber nachdenken. 29 mal.
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