Datum: 17. Juni 2016 |
In der Sitzung des Stadtrats vom 15. Juni hatten wir über das Energiekonzept für die neu zu bauende Mark-Twain-Grundschule in Wiley-Nord zu entscheiden. Die Verwaltung hat drei verschiedene Standards gegenübergestellt. Hier die Rede von Rainer Juchheim zu diesem Tagesordnungspunkt:
Die Stadt Neu Ulm hat in den letzten Jahren viele Beschlüsse zu ökologischem Verhalten gefasst. Beispielhaft will ich hier nur auf die Aalborg Commitments eingehen.
Satz 4: Wir verpflichten uns, den umsichtigen Gebrauch von Ressourcen zu realisieren und massiv zu fördern….
Entsprechender Leitsatz Neu-Ulms:
Wir übernehmen im Umweltbereich Vorbildfunktion….
Satz 10:
Wir verpflichten uns, unsere globale Verantwortung für…
Klimaschutz anzunehmen
Entsprechender Leitsatz Neu-Ulms:
Wir verpflichten uns,die vorhandenen Ressourcen ….sparsam zu verwenden…
Aber das steht leider nur auf dem Papier.
Denn die Unterzeichnung der Aalborg Commitments durch den OB im Oktober 2006 verpflichtet Neu-Ulm eigentlich dazu, einen besseren als den von der Verwaltung vorgeschlagenen Energiestandard anzustreben.
Als Grund für die Entscheidung für EnEV 2016 werden die Kosten angegeben.
Ich werde zeigen dass die Kostenberechnung nach meiner Auffassung nicht richtig durchgeführt wurde.
Zunächst einmal möchte ich die Erfahrungen einiger anderer Städte aufzeigen. Ich werde mich auf 4 Beispiele beschränken, könnte aber jederzeit noch mehr aufführen.
Frankfurt: Grundsatzbeschluss schon 2002: alle Schulen und Kitas werden im Passivhausstandard gebaut.
Nordhorn: Schule im Passivhausstandard
Kosten 1.25 % über EnEV Standard (2006 gebaut)
Freiburg: Schriftliche Mitteilung von Herrn Wiese, Gebäudemanagement:
„ Bei der Realisierung erster Objekte gab es auch hier die Sorge, dass die Mehrkosten bei 10% liegen können, was aber nicht eingetreten ist….. unter 5% ist durchaus möglich.
Sie brauchen allerdings ein gutes Planungsteam und Architekturbüro, die mit dem Thema Passivhaus … vertraut sind…..( Das Büro Grobe, das Passivhäuser baut, geht von 3-4- % Mehrkosten ohne Lüftung aus)
EGS Plan Studie vom April 2016, verfasst u.a. von der Ingenieurgesellschaft für Energie-Gebäude- und Solartechnik,Stuttgart und der Uni Stuttgart.
Ich zitiere:
Die Investitionskosten der 17 untersuchten Mehrfamilienhäuser liegen im Mittel um 0.3% über den ebenfalls 17 EnEV Häusern. Die 6 Varianten der KFW 40 Häuser sind im Mittel sogar 2.3% günstiger als der EnEV Standard.
Das wird Sie verwundern, aber wenn man sich ein bisschen mit der Materie befasst wird das verstanden.
Und damit komme ich zu einem Kapitel, das in der Kostenberechnung unverständlicherweise nicht erwähnt wurde: Die Förderung durch die KFW.
Im Moment interessiert uns nur die Förderung von Schulen, aber in der zukünftigen Diskussion wird es wichtig sein, auch die Förderung von Ein- und Mehrfamilienhäusern genau anzusehen. Sie führt nämlich zu dem Effekt, dass KFW 40 Häuser billiger herzustellen sind als EnEV Häuser.
Aber zurück zu den Schulen.
Hier sieht die Förderung durch die KFW folgendermaßen aus:
Es gibt einen Kredit für 100% der förderfähigen Kosten zu
0.05% Zinsen, 10 Jahre fest, Laufzeit 30 Jahre.
Dazu kommt ein Tilgungszuschuss von 5 %.
Bei Kosten von derzeit rund 12 Mio € wären das 600.000 € und damit wäre die KFW 55 nicht 131250 € teurer sondern 468750 € billiger.
Die gleiche Kostenrelation gilt natürlich auch bei Preissteigerungen oder wenn der Zuschuss durch den Freistaat in die Kostenberechnung einbezogen wird: Das Ergebnis ist immer: KFW 55 ist deutlich billiger als EnEV.
Für eine Passivhausstandardschule würden sich die angenommenen 12 Mio Baukosten ebenfalls um rund 600000 € Förderung und dazu noch um die nur für die Passivhausstandardschule angesetzten 650000 € Mehrkosten für die Lüftung reduzieren( wenn die auch für die EnEV Schule auch beschlossen werden sollte,was aus schulischen Gründen aus heutiger Sicht unverzichtbar ist ), das bedeutet , dass aus den angenommenen Mehrkosten von1.244875€ rund 5OOO € Minderkosten werden.
Die Passivhausschule wäre um rund 5 000 € billiger !!!!
Was folgt daraus?
Wir müssen schon aus finanziellen Gründen im Passivhaus Standard bauen.
Aber wir haben noch die Verpflichtung aus den Aalborg Commitments und anderen Umwelt-Beschlüssen.
Wir haben das Beispiel der Passivhausschule FOS/ BOS in Neu-Ulm, die wir durch die Kreisumlage zu knapp 50% mitfinanziert haben.
In Buchloe wurde gerade ein Gymnasium im Passivhausstandard hergestellt.
Ich könnte noch viele weitere Beispiele nennen, will es aber dabei belassen.
Wenn wir die Mark Twain Schule nur nach der derzeit gültigen Energieeinsparungsverordnung bauen würden, wären wir nicht auf dem Stand der Technik und im Schuljahr 2018/19, in dem die neue Schule eröffnet werden soll, wäre sie energiepolitisch schon veraltet, weil ab dem 1.1.2019 eine neue EU Richtlinie gelten wird, die für den Schulbau den Niedrigstenergiegebäudestandard vorschreiben wird, der in etwa dem Passivhausstandard entspricht.
Ich appelliere daher an den Stadtrat,
– nicht nur umweltpolitische Grundsatzbeschlüsse zu fassen, sondern sich auch an diese zu halten und die Verpflichtungen u.a. aus den Aalborg Commitments ernst zu nehmen
– ähnlich wie der Landkreis bei seinem Beschluss für den Passivhausstandard der FOS/BOS die Vorbildfunktion der Stadt zu sehen
– Vorreiter zu sein statt Hinterherzockler, der immer nur die Mindestanforderungen erfüllt und sich dabei womöglich noch verzockt
-und den Passivhausstandard für die Mark Twain Schule zu beschließen
(Rainer Juchheim)
Hier auch der Link zu den Berichterstattungen in der örtlichen Presse:
http://www.augsburger-allgemeine.de/neu-ulm/Neue-Grundschule-wird-noch-teurer-id38199357.html
http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Mark-Twain-Schule-wird-deutlich-teurer;art1222880,3897829
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