Ich hatte am Wochenende zum 15. November 2019 das besondere Privileg, als Delegierter des Kreisverbands Neu-Ulm nach Bielefeld auf die Bundesdelegiertenkonferenz (Bundesparteitag) von Bündnis 90/ Die Grünen zu fahren.
Zugegeben, ich war zunächst ein wenig überrascht, als Neumitglied keine 10 Wochen nach dem Parteieintritt, überhaupt die Chance zu bekommen. Dazu ohne so richtig zu wissen, was auf meinen ebenso frischen Ersatzdelegierten Ernst Burmann und mich zukommen wird, was die Sache nur umso spannender machte.
Aber eines nach dem anderen.
Vorbereitung ist Alles
In den Wochen vor der BDK hatte ich dann die ersten Mails bzgl. der zu behandelnden Anträge und Änderungsanträge bekommen und wurde mal wieder daran erinnert, wie arbeitsintensiv Basisdemokratie ist: Neben den Wahlen des Bundesvorstandes standen online bereits dutzende Anträge und hunderte Änderungsanträge zur Diskussion bereit. Zu verarbeiten war die Menge an Anträgen überhaupt nur, weil „das Grüne Netz“ – ganz im Sinne einer Partei der Digitalisierung – die Daten halbwegs verarbeitbar aufbereitet und anbietet. Außerdem clustert und führt ein ganzes Team in der Antragskommission zusammen, was irgendwie zusammen geht. Trotzdem war ich einigermaßen erschlagen von der schieren Menge an Informationen.
Entsprechend war ich sogar ein wenig froh darüber, im Zug nach Bielefeld noch über fünf Stunden Zeit zur Last-Minute-Vorbereitung zu haben. Gegen 14:30 Uhr kam ich dann tatsächlich in Bielefeld an (und spare mir an dieser Stelle den obligatorischen Scherz über die unklare Existenz der Stadt 🙂 ). Die ersten Eindrücke vermittelten mir dann die Übertragungsfahrzeuge aller namhaften Fernseh- und Radiosender Deutschlands sowie die ersten Vertreter und Flyerverteiler einiger Bürgerinitiativen und später Fridays for Future vor der Stadthalle.
Von wegen, nur Grüne!
Nach der Anmeldung beim Landesverband und dem Abholen von Stimmzettel und -karte, ging es dann weiter durch eine Art Messebereich. Hier war ein buntes Sammelsurium von Initiativen, Verbänden und Unternehmen vertreten: Neben den naheliegenden Vertretern aus der regenerativen Energiewirtschaft, JobRad und biologischen Lebensmittelherstellern, auch Stände eines großen Lebensmitteldiscounters, Branchenverbänden und dem Bauernverband.
Auch das kann in meinen Augen nur als Zeichen der Bereitschaft zur Diskussion mit allen Teilen der Gesellschaft verstanden werden. Überrascht war ich, dass sogar der Verbund der Leitplankenhersteller vor Ort war, mit dessen Vertreter ich ein spannendes Gespräch über Stahl- vs. Betonrückhaltesysteme hatte und von dem ich erfuhr, dass die Politik sich offensichtlich regelmäßig für das teurere, unsicherere und umweltbelastendere System entscheidet, um „nicht Rasen mähen zu müssen.“ → interessante Einblicke!
Und los gehts!
Nach einem kurzen Neudelegierten-Workshop und ein paar Fotos mit dem ein oder anderen Polit-Profi haben Ernst und ich unsere Plätze eingenommen und dann ging es auch schon los: Zunächst einmal mit Abstimmungen zur Tages- und Geschäftsordnung, ehe es mit der klasse Rede zum Themenblock „Wohnen“ von unserem Bundesvorsitzenden Robert Habeck mal wirklich politisch wurde: „Aus Hoffnung Wirklichkeit machen“.
Die Grünen machen sich ihre Entscheidungen nicht leicht, was man auch an den langen Diskussionen, voller interessanter Einblicke und Überlegungen über das zentrale Thema „Wohnen“ gesehen hat. Der Haushalt war dagegen ein eher entspannterer Tagesordnungspunkt: Trotzdem waren wir ganz froh, als um ca. 22:00 Uhr die Sitzung für diesen Tag geschlossen wurde.
Der zweite Tag begann mit einem kurzen Treffen der Delegierten des Landesverbands Bayern direkt mit Satzungsänderungen: Hier ging es nicht zuletzt um Grüne Herzensthemen wie dem Frauenstatut und der Integration von Menschen des dritten Geschlechts in unsere Statuten. Wie selbstverständlich schaute dann noch die Neu-Ulmer Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz bei uns vorbei und bot sich als Ersatzdelegierte an. Eine Bundestagsabgeordnete, die mir anbietet, meinen Platz zu übernehmen, damit Ernst und ich entspannt zum Mittagessen gehen können? Daran muss ich mich erst noch gewöhnen 🙂
Der Bundesvorstand wird gewählt
Im Anschluss ging es an die Wahlen des Bundesvorstands: Bundesvorsitzende Annalena Baerbock machte den Anfang mit einer großartigen Rede über die Verantwortung der Politik und wurde anschließend mit einem ebenso großartigen Ergebnis wiedergewählt! Auch Robert Habeck konnte uns Delegierte überzeugen und kann ein ähnlich gutes Ergebnis vorweisen. Das haben die zwei sich auch redlich verdient!
Bei den einigen weiteren Bewerbungsreden und Wahlgängen zu Vorstand, Schiedsgericht und Parteirat war vor allem die Kandidatur unserer Landesvorsitzenden Katharina Schulze für den Parteirat noch spannend. Sie hat es sich durch ihre äußerst sympathische und motivierende Art verdient: Schön, dass es auch geklappt hat.
Nach den Wahlen wurden einige „Verschiedenes“-Anträge behandelt. Unter anderem der medial aufmerksam verfolgte Antrag zur Homöopathie: Hierzu soll nun ein Expertengremium gebildet werden, das der Partei nochmal einen Antrag zur Abstimmung vorlegen wird. Nicht ganz das klare Signal als wissenschaftsaffine Partei, wie ich es mir gewünscht hätte, aber doch ein brauchbarer Kompromiss.
Auch mein erstes kurzes Interview mit dem ZDF fand in dieser Zeit statt: Dabei stand natürlich die „K-Frage“ im Vordergrund, die ich genauso wie die allermeisten anderen Delegierten nicht allzu konkret kommentieren wollte. Mal sehen, ob Teile des Interviews ausgestrahlt werden, eine Interessante Erfahrung ist es alle mal!
Am Abend darf gefeiert werden
Gegen 20:30 Uhr konnte dann tatsächlich ungewöhnlich rechtzeitig zum gemütlichen Teil des Tages auf der im Foyer stattfindenden Party übergegangen werden. Der Abend war vor allem super dazu geeignet, bei entspannter Atmosphäre einige neue Gesichter kennenzulernen, interessante Gespräche zu führen und die umliegenden Kreisverbände diesseits und jenseits der Donau kennenzulernen. Ein besonders spannendes Gespräch mit einem grünen Journalisten aus der Nähe von Bremen sorgte dann aber dafür, dass ich deutlich später ins Bett kam, als es geplant war…
Denn am Sonntag ging es um 09:00 Uhr direkt mit den programmatisch unglaublich wichtigen Themen Wirtschaft, Klima und Finanzen weiter: vom Green New Deal über CO2-Bepreisung, Fiskalpolitik in Zeiten von Nullzins und Klimaziele bis hin zu nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten stand so Einiges auf dem Programm. Besonderes Highlight war dabei der Bericht einer Vertreterin der indigenen Bevölkerung im Amazonas-Gebiet und ihr starker Aufruf an die deutsche Politik, zu handeln.
Einigermaßen froh war ich dann aber doch, als wir beinahe pünktlich im sich langsam leerenden Saal fertig wurden und ich meinen Zug noch bekam.
Was ist nun also mein Fazit?
Alles in allem waren es unglaublich intensive drei Tage, die auch oft anstrengend wurden und das trotz des Supports von Ernst. Dennoch hat die BDK mir als neuem Grünen geholfen, mich in der Programmatik der Partei besser zurechtzufinden und mir heute sicherer als noch am Freitag zu sein, Mitglied in der richtigen Partei zu sein.
Deshalb vielen Dank an die Organisatoren, Redner und Unterstützer der BDK, an meinen Begleiter Ernst und natürlich an den Kreisverband Neu-Ulm, dass ich diese Erfahrung machen durfte! Es war hoffentlich nicht meine letzte BDK!
Ludwig Ott
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