Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist für Grüne schwieriger geworden, unter der grünen Flagge gegen erbitterte Widerstände voranzumarschieren, weil durch die erfolgreiche Arbeit der Grünen auf vielen Ebenen der Politik grüne Anliegen zu einem Teil des gesellschaftlichen Mainstreams geworden sind. Der erbitterte Widerstand fehlt. Das Unbehagen an diesem Zustand war im vergangenen Jahr ja öfters in Kommentaren der SWP zu erkennen.
Ein gutes Beispiel für diese Änderung der politischen Wetterlage ist das Engagement von Frau Bürgermeisterin Wanke in der ur-grünen Frage der Flächenversiegelung, wo es auch Grünen nicht möglich wäre, es besser als sie zu machen.
Ein weiteres Beispiel für das Dilemma ist der Flächennutzungsplan. Eine sowohl von der Bevölkerung als auch von der Wirtschaft expandierende Stadt braucht Flächen dafür. Aber muss es denn so viel sein? Hier hat die Stadt im grünen Sinne klug und großzügig Ausgleichsflächen erworben. Trotzdem bleibt bei uns Grünen ein großes Unbehagen an der fortschreitenden Zu-Betonierung unserer Heimat.
Ein weiteres grünes Kernanliegen ist die Eindämmung der Energieverschwendung. Konkret heißt das hier: energetische Sanierung der städtischen Gebäude. Da dabei nicht alles auf einmal bewerkstelligt werden kann, kommt es darauf an, wo mit den verfügbaren Mitteln so schnell wie möglich so viel wie möglich erreichbar ist. Ein von den Grünen initiiertes Gutachten hat dafür die Regie vorgegeben, und wir wollen weiter darauf achten, dass nach dessen Spielanweisungen dann auch gespielt wird.
Beim ESH ist z.B. dieses Verhältnis von Aufwand zu Effekt wegen der Erhaltung seiner schönen Fassaden recht ungünstig. Aber manchmal kommt es eben anders als geplant. Wenn das Dach undicht ist, muss es eben sofort repariert werden und “wenn schon – denn schon” natürlich energie-optimiert.
Ein Beispiel, wo sich das Ökologische ökonomisch rechnen kann, ist die Unterstützung des Fahrradverkehrs. Der umwelt- und gesundheitsbewusste Radfahrer verursacht nur einen Bruchteil der Infrastrukturkosten, den die Bewahrung des wachsenden PKW-Verkehrs vor dem Verkehrsinfarkt verursacht. Dafür haben die Grünen einen langfristigen Radwegeplan durchgesetzt. Aber auch hier steckt der Teufel im Detail. Wo es am meisten bringt, in der Innenstadt, konkurriert der Radverkehr mit dem Autoverkehr um dieselbe Fläche. Auf dem flachen Land kann dieser Interessenkonflikt durch Zukauf von Land mit dem Scheckbuch vermieden werden. Dieser strukturelle Unterschied ist im vorliegenden Investitionsplan gut erkennbar. Wir Grünen haben hier ein wichtiges Betätigungsfeld zur Durchsetzung von Prioritäten vor uns.
Kommen wir zu einem weiteren grünen Kernanliegen. Wir sind sozial.
In einer Gesellschaft, in der sich die Schere zwischen arm und reich immer weiter öffnet, wird es immer schwieriger, einen Kern von Bildungsgerechtigkeit aufrecht zu erhalten. Eine Stellschraube dafür, an der wir drehen können, sind die Mittel, welchen den Schulen für Lehrmittel und Klassenaktivitäten zur freien Verfügung gestellt werden. Hier konnten wir leider gegen den an sich durchaus positiven Sparwillen anderer Fraktionen nicht einmal einen Inflationsausgleich durchsetzen.
Wir freuen uns natürlich, dass alle Fraktionen unserem Vorschlag, in der Emil Schmidt – Schule endlich den 2. Werkraum einzurichten, so eilig zugestimmt haben, dass wir uns nicht schnell genug zu Wort melden konnten, um ihn als erste zu begründen. Wie schön wäre es doch, wenn es jedes Mal so abliefe, wenn wir auf eine Nachlässigkeit der Verwaltung hinweisen!
Wie schwierig es sein kann, sozial und demokratisch zu sein, zeigt die politisch brisanteste Frage des letzten Jahres – die der Kindergartengebühren. Hier sollte die Verwaltung im Auftrag der Politik durch Erhöhung ihrer Einnahmen den Zuwachs der Ausgaben eindämmen. Dafür präsentierte sie die Idee: “Wir holen uns das Geld über einkommensabhängige Gebühren da, wo zumutbar etwas zu holen ist”. Die Eltern wollten stattdessen eine einkommensunabhängige Gebührenerhöhung. Das bedeutet real: Keiner soll mehr zahlen müssen, als den einkommensschwächsten Eltern zugemutet werden kann. Der Konflikt war da, und es wurde ein Gremium aller Beteiligten auf Augenhöhe gebildet. Dessen Ergebnis war die Entscheidungs-Situation über die Höhe einer einkommensunabhängigen Gebührenerhöhung. Wir Grünen hätten den Nebeneffekt in Kauf genommen, den einkommensstärkeren Eltern den Schutz ihrer Geldbeutel weiter zu versüßen, um den sozial schwächeren Eltern weiter entgegen kommen zu können. Andere wollten dagegen lieber für die Stadtkasse noch retten was zu noch retten war. Das ist ihnen gelungen. Aber wir Grünen finden es gut, dass wir alle allen Eltern bei den Betreuungszeiten weit entgegen gekommen sind.
Dass wir aus fiskalischen Gründen für die Horte und Mittagsbetreuung der Schulkinder Gebühren verlangen müssen, während es bei den Ganztagsklassen umsonst ist, finden wir schade. Aber wir sind in Neu-Ulm an der Obergrenze der Anzahl unter bayrischen Rahmenbedingungen realisierbaren Ganztagsklassen.
Neu-Ulm ist eine wachsende Stadt, und in wachsenden Städten wird gebaut. Wir haben hier als Stadtrat über Mittel des Baurechts die Möglichkeit, zu erzwingen, dass ökologisch vertretbar gebaut wird. Die Entwicklung in den Außenbezirken hat hier unserer Politik der vergangenen Jahre recht gegeben. Wir haben über denselben Hebel auch die Möglichkeit, zu erzwingen, dass in der Innenstadt schön gebaut wird. Schönheit ist subjektiv. Aber immer noch am Besten ermittelt man das Schöne im Wettbewerb um die Geschmacksvorstellungen der Entscheidungsträger. Wir alle sind uns einig, dass z.B. der Wettbewerb beim Weiss-Gelände gut und sinnvoll war, und dass der Mini-Wettbewerb beim Brückenhaus auf der Insel zu Recht gegen die ursprüngliche Vergabe der Sparkasse nach Gutsherrenart durchgesetzt wurde.
Bleibt noch die Straßenbahn, wo wir uns aus Gründen der langfristigen Stadtentwicklung einen Ausleger der Ulmer Straßenbahn in die Stadt Neu-Ulm wünschen. Leisten können wir uns das nur, wenn es vom Bund gefördert wird. Der Bund verlangt für die Förderung ein standardisiertes Gutachten über den volkswirtschaftlichen Nutzen seiner Förderung. Wir wissen inzwischen, dass es eine Streckenführung gibt, für welche das wahrscheinlich nachweisbar ist. Wir müssen nur aufpassen, dass zumindest diese Chance nicht im Zuständigkeits- Hin und Her zwischen der Stadt und dem beauftragten Unternehmen, der SWU, verschludert wird. Der Kessel muss da unter Druck gehalten werden, und wir Grünen werden das tun.
Es bleibt noch das letzte Thema, bei dem es sehr konkret um größere Geldsummen und nicht um Peanuts geht – die sukzessive Verschönerung der Stadtteilplätze. Hier kann der Politiker, vor allem derjenige, welcher in seinem Vorort sozial gut vernetzt ist, dem Wähler augenfällig zeigen, was er alles für ihn tun kann und will. Leider sendet so ein schön gewordener Platz damit auch ein zweites Signal aus – wie viel dieser Wähler durch Kürzung anderer Wohltaten dafür sofort oder irgendwann später selber wird aufbringen müssen. Wir alle können nur hoffen, dass der Bürger bei weiteren Wünschen die Botschaft der schönen Plätze nicht so missversteht, als ob die Stadt noch zu viel Geld im Geldbeutel hätte. Deswegen haben wir gegen diese Ausgabe gestimmt.
Aber wir hoffen trotzdem, dass unter der Bedingung, dass sie nun einmal gebaut werden sollen, diese schön werdenden Plätze einmal tatsächlich zu neuen Zentren kulturellen und sozialen Lebens werden oder gemacht werden können. Dies hoffen wir mit den “Baumeistern der Plätze” trotz unserer Bedenken in diesem Punkt mit.
Ein Haushaltsplan ist immer ein Kompromiss um das liebe Geld. Er ist gelungen, wenn keiner damit glücklich ist, aber jeder damit leben kann. Außerdem wären die Folgen seines Scheiterns im Stadtrat zu schwerwiegend, um daran die tiefere Bedeutung des Sprichwortes durchzuexerzieren: “Hüte dich vor deinen Wünschen, sie könnten in Erfüllung gehen”.
Wir Grünen stimmen dem Hauhalt 2012 zu.
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