Gemäß dem Beispiel des Bamberger Stadtrats hatte die Vöhringer Grünen-Fraktion bereits im Oktober 2020 den Antrag auf eine öffentliche Klima-Sondersitzung gestellt.
Leider wurde dieser Antrag abgelehnt, fand schlussendlich aber in modifizierter Form seinen Weg in den Stadtrat, wodurch am 19.03.2021 eine nichtöffentliche “Klima-Klausurtagung” abgehalten wurde.
Als Mitglied im Klima-Bündnis hatte sich die Stadt Vöhringen das Ziel gesetzt die CO2-Emissionen alle fünf Jahre um 10% zu reduzieren, Klimagerechtigkeit in Partnerschaft mit indigenen Völkern zu fördern und die Emissionen pro Kopf zu senken.
Um die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten und den Blick auf die großen CO2-Verursacher (Stromverbrauch, Heizbedarf beim Wohnen und Mobilität) zu richten, hat die Stadtratsfraktion der Grünen folgende Anträge zur Klausurtagung eingebracht:
Antrag 1: Klimavorbehalt
- Die Stadt Vöhringen führt bei allen Entscheidungen den Klimavorbehalt ein und berücksichtigt damit bei allen betroffenen Entscheidungen die ökologische Nachhaltigkeit und die Klimaauswirkungen. Wann immer möglich, soll die Entscheidung mit besserer Klima- und Umweltbilanz favorisiert werden.
- Bei allen Beschlussvorlagen wird die Klimarelevanz dargelegt: Hat der Beschluss keine, negative oder positive Folgen für das Klima und die Umwelt? Analog zu finanziellen Auswirkungen werden so die Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt berücksichtigt.
Antrag 2: Halbjährliche Klima-Sondersitzung
- Die Stadt Vöhringen berichtet in halbjährlichen Abständen in einer gesonderten Klimasitzung über die Fortschritte im Klima- und Umweltschutz.
- Diese Sitzung ist besonderer Anlass für den Stadtrat, neue ökologische Maßnahmen einzubringen und bestehende zu diskutieren.
Antrag 3: Bauen und Wohnen: Solarenergie, begleitende Energie-Einsparungsmaßnahmen, Holzverwendung, Gebäudebegrünung und ökologische Freiflächengestaltung zugunsten von Klimaschutz, Klima-Anpassung und Biodiversität
1. Folgende Zielsetzungen sollen künftig bei Baugenehmigungen und in Bebauungsplänen bestmöglich zur Umsetzung kommen:
- Installation von PV- und/oder Solarthermie-Anlagen auf dem Dach oder an den Fassaden
- Begleitende Energie-Einsparungsmaßnahmen
- Dach- und/oder Fassadenbegrünung (extensiv/intensiv)
- Holzverwendung (Massivholzbau; Fassaden; Innenausbau; Einrichtung)
- ökologische Gestaltung der Grün- und Außenanlagen (minimierte Versiegelung; standortangepasste Bepflanzung mit heimischen Pflanzen und Bäumen)
2. Die Stadt ist sich ihrer Vorbildfunktion bewusst und versucht, bei allen städtischen Baumaßnahmen die oben genannten Ziele bestmöglich zu realisieren.
3. Die Verwaltung erarbeitet Satzungen für Neubauten/Gebäudesanierungen sowie für zukünftige Bebauungspläne, in denen Solarenergie, begleitende Energie-Einsparungsmaßnahmen, Holzverwendung, Gebäudebegrünung und ökologische Freiflächengestaltung eingefordert werden, z.B.:
- Pflicht, bei Neubauten Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie auf der Dachfläche zu errichten und zu betreiben oder sich zur Nutzung der solaren Strahlungsenergie auf Dachflächen eines Dritten zu bedienen;
- Begleitende Energie-Einsparungsmaßnahmen, z.B. Ausführung von Wärmeschutz, um Energieverluste beim Heizen oder Kühlen zu vermeiden;
- Kein Neuanschluss von Heizkesseln, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, ab dem 1.Juli 2021; Flüssiggas-Heizkessel zu einem späteren Zeitpunkt;
- Begrünung gerader Dachflächen und/oder Fassaden von öffentlichen Gebäuden;
- Forderungen zur Begrünung gerader Dachflächen und/oder Fassaden bei Neubauten (auch bei PV-Anlagen möglich und zudem leistungsfähiger) ab zu bestimmenden m2-Flächengrößen;
- Keine Neuinstallation raumlufttechnischer Anlagen oder Bauelemente zur mechanischen Kühlung von Gebäuden oder Aufenthaltsräumen, da diese bei Einhaltung der Wärmeschutzmaßnahmen und Gebäudebegrünung nicht erforderlich sind;
- Pflicht zur Bepflanzung der Vorgärten (also keine geschotterten oder gekiesten Steingärten!) und Verbot einer Versiegelung der Fläche, soweit nicht andere Nutzungen (Zufahrten, Abstellfläche für Mülltonnen u. a.) dem entgegenstehen.
4. In jeder Beschlussvorlage an den Stadtrat, bei der es um Neubau oder Sanierung von Gebäuden geht, ist darzustellen, wie mit den oben genannten Maßnahmen verfahren wird. Sollte dies bei dem jeweils zur Beschlussfassung unterbreiteten Vorhaben nicht oder nur teilweise möglich sein, sind die maßgeblichen Gründe im Einzelfall plausibel in den Vorlagen darzustellen.
5. Die Verwaltung ermittelt kommunale und private Fördermöglichkeiten im Bereich der Solarenergie, Holzverwendung, Gebäudebegrünung und ökologische Freiflächengestaltung und erarbeitet entsprechende Realisierungsmaßnahmen.
6. Sie berichtet darüber, inwieweit die Stadt Vöhringen in den letzten Jahren bei eigenen Baumaßnahmen oben genannte Kriterien realisierte, und wirbt mit diesen erfolgten Projekten.
7. Dachflächen von städtischen Gebäuden werden bestmöglich für Solarenergie genutzt, wobei zur Finanzierung und Werbung Bürgerbeteiligungen angeboten werden sollen (siehe Antrag vom Mai 2020): Fassaden von städtischen Gebäuden werden nach bautechnischen und finanziellen Möglichkeiten begrünt;
8. Durch gezielte Sensibilisierung, Information, Beratung und zusätzliche Förderangebote für Bürger:innen soll erreicht werden, dass auch bei privaten Bestandsgebäuden Solarenergie, Dach- und Fassadenbegrünung und ökologische Freiflächengestaltung auf freiwilliger Basis in größerem Umfang umgesetzt werden.
9. Ein jährlicher Wettbewerb zum “Nachhaltigsten Gebäude“ und/oder zur “Nachhaltigsten Gebäudebegrünung” soll den öffentlichen Fokus auf diese Thematik lenken und für die Vorteile werben.
Antrag 4: Vernässung des Niedermoores „Wasenlöcher bei Illerberg“
Die Stadt ergreift Initiative, den Klimaspeicher „Wasenlöcher bei Illerberg“ in enger Zusammenarbeit mit den Eigentümern, mit den betroffenen Landwirten, mit dem Landkreis und mit den Naturschutzverbänden optimal zu erhalten. Dies könnte in folgenden Schritten angegangen werden:
- Erstellen eines Vernässungskonzeptes (welche Flächen?, wann?, was?, wie?) zusammen mit dem Landratsamt und Naturschutzverbänden
- Öffentlichkeitsarbeit: Bedeutung des Niedermoores „Illerberger Wasenlöcher“ für den Klima- und Artenschutz in Fachvorträgen und städt. Veröffentlichungen (Homepage, Amtsblatt, …) darstellen
- Gespräche mit den Eigentümer:innen (schwierig, da große Anzahl) => diese ins Boot holen
- Gespräche mit betroffenen Landwirt:innen (wohl ca. 30 % weniger Ertrag => Ausgleichszahlungen) => diese ins Boot holen; Alternative Landwirtschaft: Paludi-Kultur, z.B. Rohrkolbenanbau für Dämmstoffe, Heizmaterial, Biogasanlagen, …
- (Evtl. Flächenzusammenlegung im Rahmen einer Flurbereinigung; siehe „Moorclub Ravensburg“)
- Umsetzen erster Konzept- und Baumaßnahmen zur Vernässung (z.B. Entfernen von Drainagen, Bau von Verwallungen/Spundwänden, Anstau von Gräben, Herausnahme „falscher“ Bäume u. Pflanzen) als Vorzeige-Projekt => Gewinnen weiterer Eigentümer …
- Stetige Weiterentwickung des Vernässungskonzeptes
Antrag 5: Klimawald
Die Stadt Vöhringen
- weist in unseren städtischen Wäldern mehr unbewirtschaftete Flächen aus,
- fördert in Wirtschaftswäldern mehr naturnahe und klimastabile Strukturen,
- bewaldet verlorene Waldgebiete wieder,
- schafft finanzielle Anreize zur „Waldwende“ für Waldbesitzer:innen,
- informiert und begeistert die privaten Waldbesitzer:innen sowie die Bürger:innen durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit über Naturwälder.
Antrag 6: Schrittweise Einführung des 365,- € Jahrestickets
Die Stadt Vöhringen
- ermittelt die aktuelle Anzahl der DING-Jahres- oder Monatskarten-Abonennt:innen mit ihren jeweiligen Tarifbereichen und holt Angebote des DING-Verbunds für die Einführung eines deutlich verbilligten Jahres- oder Monatstickets für die Tarifzone „4 Waben“ (Vöhringen-Ulm) ein,
- macht sich mit den Nachbarstädten und -Gemeinden für die Einführung eines 365,- € Jahrestickets im DING-Bereich für alle Schüler:innen und Auszubildenden ab dem Schuljahr 2021/22 stark und führt es für alle Vöhringer Schüler:innen und Auszubildenden ab dem Schuljahr 2021/22 ein,
- macht sich mit den Nachbarstädten und -gemeinden für die schrittweise Einführung eines 365,- € Tickets für alle in der DING—Tarifzone „4 Waben“ in den nächsten drei Jahren stark und führt es ein; z.B.: ab September 2021: 750 € statt 983 €; ab Sept. 2022: 500 €; ab Sept. 2023: 365 €
Antrag 7: Öffentlichkeitsarbeit / Bildung
Die Stadt Vöhringen fördert den Klimaschutz durch eine intensivere Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit.
Hierzu einige Ideen, die aufgegriffen und umgesetzt werden können:
- Klimaschutz-Internetseite der Stadt und Klimaschutz-Rubrik im Amtsblatt
- Kommune als Vorbild
- Klima-Bürger:innenbeteiligung: Klimawerkstätten, Runde Tische, Zukunftskonferenzen, Solarvereine, Energie-Arbeitskreise, … fördern gemeinsam mit der Kommune Energiesparen, Erneuerbare Energien und umfassende Klimaschutzkonzepte; durch Bürger:innengutachten und Umfragen wird die Meinung der Bevölkerung eingeholt. Online-Befragung zum Klimaschutz: Ideenwettbewerb zum Klima- und Umweltschutz für alle Bürger:innen
- Klimaschutztage, -woche, z.B. wie Stadtwandeln: Kampagnen, z.B. “Plastikfrei – ich bin dabei”, “Stadtradeln” oder “Carsharing-Offensive”
- Monatlicher „Klimatreff“: Veranstaltungen zum Thema „Klimaschutz“ mit Referaten, Filme, Workshops …
- Ernährung: Klimaschutz durch weniger Fleischkonsum, regionale und saisonale Ernährung => Mensen in Kiga und Schulen
- Konsum verringern in städt. Einrichtungen
- Schulweg gemeinsam zu Fuß/mit Rad zurücklegen; Organisation von Kinder-, Schüler:innengruppen zur Reduzierung von Bring-und Abholfahrten
- Kommunale Förderprogramme wie Abtaubonus, Umsattelbonus, Pumpenbonus
- “Klimaschutz-Planer” von Klimabündnis
- Klimaschutz global denken: Nachhaltigkeitspartnerschaft mit Spendenaktion für Dritte-Welt-Land; z.B. Bau von rauchfreien Öfen in Kenia, Nepal, …
Fazit: Die Klima-Klausurtagung war aus unserer Sicht ein Erfolg für die Stadtratsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen. Alle von uns eingebrachten Anträge wurden in unterschiedlichen Dringlichkeitsstufen in den Klimaschutz-Maßnahmen-Katalog der Stadt Vöhringen zumindest in teilweise modifizierter Form aufgenommen.
Wir danken allen Bürger:innen für Ihre Unterstützung und Mitarbeit im Klimaschutz!
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