Bundestagswahl

“Rechtsduck statt Linksruck?” – ein Kommentar von Stefan Nußbaumer

Zwei Sendungen prägten am Donnerstag mein Abendprogramm: Das von der Südwestpresse veranstaltete Wahlforum der Direktkandidat*innen für Neu-Ulm, sowie die Sendung von Markus Lanz im ZDF.

In letzterer war mit Margot Friedländer eine Holocaust-Überlebende zu Gast, die heuer ihren 100. Geburtstag feiert und sehr lebhaft ihre schrecklichen, persönlichen Erfahrungen im Dritten Reich schilderte.
Ihre Erzählungen von der Reichspogromnacht waren so detailliert, als wäre es gestern geschehen. Sie berichtete, wie 1943 ein Gestapo-Mann vor ihrer aufgebrochenen Wohnung wartete, nachdem ihr Bruder und ihre Mutter bereits abgeholt wurden, wie sie ein Jahr erfolgreich in den Untergrund ging und dann doch gefasst und nach Theresienstadt gebracht wurde, während Mama und Bruder in Auschwitz ermordet wurden.

Margot Friedländer (Quelle: Wikipedia).

Und wie sie davon berichtet, bemerkt sie die Gänsehaut, die sie noch heute dabei spürt und die jede*r Zuschauende ebenfalls bei sich selbst wahrnimmt.

Gleichzeitig denke ich in diesem Moment an das Wahlforum der Wahlkreis-Kandidat*innen von CSU, FDP, Linken, SPD, Grünen und AfD. Darin wurde Alexander Engelhard, dem CSU-Direktkandidaten (und Nachfolger Georg Nüssleins), die Frage einer Zeitungsleserin gestellt. Diese lautete:

“Unsere Gesellschaft spaltet sich immer mehr. Wie soll die Union mit Kandidaten wie Hans-Georg Maaßen umgehen, wenn es Äußerungen gibt, die sich enorm am rechten Rand bewegen?”

Zur Erinnerung: Hans-Georg Maaßen ist, wie SWP-Chefredakteur Matthias Stelzer richtig bemerkte, ehemaliger Verfassungsschutz-Chef in Deutschland. Auch ist er (während des Wahlkampfes allerdings ruhendes) Mitglied der auch in Unionskreisen kritisch betrachteten Wertunion, eines nach rechts offenen, CDU-nahen Vereins. Doch Maaßen ist mehr als nur eine umstrittene Figur der Union. Als Rechtspopulist zeigt er sich gerne auf Fotos mit Neonazis und ist generell den Positionen der AfD wenig abgeneigt. Den Grünen wirft er “Rassismus gegen die eigene Nation” vor – ein rechtsextremer Diskurs. Er bedient sich bewusst und unentwegt rassistischer Narrative und klassischer, antisemitischer Stereotype. Seine Aussagen werden von Verfassungsschützern beobachtet. Und Maaßen kandidiert in Süd-Thüringen für ein Direktmandat im kommenden Deutschen Bundestag.

Die Antwort Engelhards auf diese Frage, die ihm die Chance bot, sich von diesem Mann thematisch zu distanzieren, offenbarte leider eine völlig andere, mir unverständliche Denkweise:

“Unsere Demokratie muss stark genug sein, um damit umzugehen. Das muss ich ganz klar sagen, das müssen wir aushalten. Sonst haben wir keine Demokratie mehr.”

Dieser eine Moment in der Diskussion macht sprachlos. Wir haben heute eine Demokratie, weil der Nationalsozialismus besiegt wurde und seine Denkweise nie wieder die Köpfe unserer Bürger*innen verseuchen darf.

Wir müssen einen Rassisten und Antisemiten “aushalten”?
Richten Sie, Herr Engelhard, bitte diesen Satz direkt an Frau Friedländer und andere Jüdinnen und Juden, die die Schrecken des Nationalsozialismus erlebt haben oder noch heute Opfer von Antisemitismus und Antiziganismus sind (wie unlängst nach den Angriffen am Gaza-Streifen).

Auf Stelzers Nachfrage, ob Maaßen denn bleiben und kandidieren dürfe, antworteten Sie mit einem klaren JA. Sie dulden damit bewusst seine undemokratische Denkweise und unterstützen seine widerlichen Aussagen.
Erklären Sie uns bitte, an welchem Punkt Sie die Grenze ziehen, ab wann wir es so lange “aushalten” mussten, bis es zu spät ist.

Ich erwarte mehr von einem Kandidaten, der sich anschickt die Interessen unseres Wahlkreises im Bundestag zu vertreten. Natürlich kann ich einem Vertreter der CSU seine Befürchtung eines “Linksrucks” nicht übel nehmen – so ticken Konservative nun einmal. Aber ich, nein wir alle, müssen von einem demokratischen Volksvertreter erwarten dürfen, dass er sich bei Rechten nicht weg duckt, auch wenn sie aus der eigenen Mitte entspringen.

Euer Stefan Nußbaumer

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