Vielfalt & Zusammenhalt

Podiumsdiskussion zur Entlassung von Tanja Junginger

Offene Fraktionssitzung der grünen Stadträte aus Neu-Ulm mit eingeladenen Gästen

Am 10.9.2012 gab es im Café d’Art eine Podiumsdiskussion zum Thema Entlassung von Tanja Junginger aus dem Kindergarten von St. Albert in Offenhausen im Rahmen einer offenen Fraktionssitzung der Stadtratsfraktion der Grünen aus Neu-Ulm. Auf dem Podium saßen: Rainer Juchheim , Fraktionsvorsitzender der Grünen, Tanja Junginger, entlassene Kindergärtnerin, Manfred Bruns, Bundesanwalt am Bundesgerichtshof a.D., Brigitte Aichele-Frölich, Vorstand des LSVD (Lesben- und Schwulenverband) und Holger Greif, Vorstand der Grünen im Kreisverband Neu-Ulm.

Bedauerlicherweise fehlte die Seite, die in dieser Veranstaltung angeklagt wurde, die katholische Kirche. Für sie war alles klar, es gab nichts zu diskutieren, waren die Aussage der Diözese Rainer Juchheim gegenüber, als er bat jemanden aus der Kirche am Podium teilnehmen zu lassen. Das war sehr bedauerlich, denn die Diskussionen an diesem Abend gingen im Wesentlichen um die Sonderrechte der Kirche, die sie hat, die sie vor Jahrzehnten bekam und heute sicherlich nicht mehr zeitgemäß sind.
Tanja Junginger begann, in dem sie ihren Fall schilderte. Ihr Zeitvertrag wurde nicht verlängert, weil sie zugab, lesbisch zu sein. Hätte sie dies verschwiegen, wäre sie sicherlich noch heute angestellt, werden doch zurzeit händeringend im Rahmen des Krippenbaus Kindergärtnerinnen gesucht. T. Junginger erklärte, dass sie selbst nichts gegen die Kirche hätte, dass sie auch gerne wieder in einem katholischen Kindergarten arbeiten würde, dass aber ihre Chancen dafür recht gering seien, ist doch ihr Name, ihr Fall bundesweit veröffentlicht worden.
Frau Aichele-Frölich wies darauf hin, dass die kirchlichen Träger eine Ausnahmestellung hätten, weil 900000 Menschen bei der Kirche angestellt sind. Sie alle unterliegen den Sonderrechten der Kirche, d.h., sie dürfen nicht streiken, sie können entlassen werden, wenn sie den Glaubensvorstellungen der Kirche nicht entsprechen, wie bei einer Scheidung oder bei einem Geständnis, dass man lesbisch ist usw. Man könne ja verstehen, dass dies für Seelsorger gelte, aber es gilt auch für Putzfrauen, für Hausmeister und eben für Kindergärtnerinnen.

Besonders strikt ist die katholische Kirche, die evangelische ist ein wenig toleranter, aber auch sie sorgt dafür, dass ihre Angestellten Mitglied einer Kirche sind. Nachdem 40% der deutschen Bevölkerung nicht Mitglied einer der beiden Kirchen sind, ist es doch sehr fragwürdig, ob dies heute im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß ist.
Manfred Bruns erklärte die Sonderrechte der Kirche, die aus einer Zeit stammten, als mehr als 90 % der Bevölkerung in der Kirche waren. Das Problem besteht darin, dass die Sonderrechte im Grundgesetz stehen, dass zwar die Formulierungen durchaus strittig sind, dass es aber in der Vergangenheit jede Menge Urteile des Verfassungsgerichts gegeben habe, welche die Rechte der Kirche festgeklopft hätten. Der einzige Weg dies zu ändern, wäre, das Grundgesetz zu ändern. Dazu braucht man aber eine Zweidrittelmehrheit, die man jenseits der CDU/CSU heute noch nicht bekommt. Herrr Bruns war aber recht optimistisch, dass in den nächsten Generationen (!) eine Entwicklung kommen würde, welche die Akzeptanz der Schwulen und Lesben in der Gesellschaft verstärken wird.
Holger Greif, Kreisvorstand der Grünen in NU berichtete, dass die Grünen in Berlin schon einmal einen Anlauf gestartet hätten, den Artikel drei des Grundgesetzes zu modifizieren. Dort steht, dass niemand wegen seiner Hautfarbe, seiner Religion, seines Geschlechts … benachteiligt werden darf. Wir Grüne wollten dies ergänzen dadurch dass auch die geschlechtliche Neigung dazu gehören solle. Leider und erwartungsgemäß scheiterte dies am Widerstand der C-Parteien.
Mehrfach wurde in der Diskussion die Doppelmoral, vor allem der katholischen Kirche, angeprangert. Zirka 50 % der Priester leben mit einer Frau zusammen, in katholischen Kinderheimen gab es mehr sexuelle Übergriffe als sonst wo. Alles spielt keine Rolle, solange es nicht bekannt wird. Es gibt die große katholische Decke, welches anscheinend alles erlaubt und verbirgt. Aber wenn die Decke gelüftet wird, wenn es einen Skandal gibt, dann wird die Kirche stringent, dann rollen heute zwar keine Köpfe mehr, aber man sucht Schuldige, weil die Kirche selbst per se nicht schuldig sein kann.
Für die Stadträte ergab sich die Frage, wie wir Grüne auf den Arbeitgeber katholische Kirche in Neu-Ulm reagieren sollen. Während Stadtrat Gerhard Rauch schon vorab äußerte, dass er ein Zeichen setzen wolle, indem er zukünftig es ablehnt, weiterhin katholischen Kindergärten und Krippen zuzustimmen, wies Rainer Juchheim af den 17.9. da wollen wir in einer Fraktionssitzung unsere generelle Zielrichtung festlegen, sind doch die Kindergärten ein Thema in der Ausschusssitzung am 18.9.

Gerhard Rauch

Neuste Artikel

Energiepolitik

Pfaffenhofen: Neue Balkon-PV oder schöne Außenansicht?

Landwirtschaft Stadtrat Neu-Ulm

Politik trifft Landwirtschaft:

Stadtrat Neu-Ulm

Neu-Ulmer Grüne setzen sich für mehr Sicherheit am ZUP ein

Ähnliche Artikel